Herzlichen Glueckwunsch!
Der Titel des neuen Werkes von Paul Vincent ist in Bezug auf die darin besungenen Inhalte vielseitig interpretierbar.
Auf knapp fuenfzig Minuten Albumlaenge praesentiert er Sarkastisches, Humorvolles, Nachdenkliches, Erdiges und auch Instrumentales fuer die bluesrockfreudigen Gehoergaenge…
Paul Vincent wirkte schon fuer das Lindenberg’sche "Panikorchester", musizierte mit Peter Maffay, Freddie Mercury, Eric Burdon, Sting und weiteren, bekannten Leuten, hat einen Musikverlag, schreibt und pflegt diverse Bandprojekte. Er komponierte Fernseh-Soundtracks und gewann dafuer auch schon den deutschen Fernsehpreis.
Sein Aeusseres laesst eigentlich eine sonore, tiefere Stimme vermuten, doch gleich beim Auftaktstueck des Albums "Herzlichen Glueckwunsch" wurden hier spontane Parallelen zum Tonfall eines Wigald Boning gezogen. "Schlechte Zeiten" ist ein beschwingt-ironischer Arschtritt fuer den Mann. Ueberhaupt zieht sich das Thema Mann gegen Frau bzw. Mann ohne Frau oder auch Mann und Frau generell durch einen Grossteil der CD. Doch gleich mit dem zweiten Lied zeigt Vincent, wo der musikalische Hammer haengt: Ein Auftakt in bester Gary-Moore-Manier weist den Weg in Richtung Blues-Rock. Denn der Mann hat den Blues, sowohl musikalisch als auch textlich bei "Sieben Tage Lang", worin er letztendlich aufgrund des Unvermoegens, sich zu artikulieren, allein zurueckbleibt.
Im Gegensatz dazu ist Song Nr.3 ("Hand in Hand") eher eine Hymne an die Gemeinsamkeit, die sich allerdings auch aufgrund der Tatsache, dass sie gleich mit dem Refrain beginnt, subjektiv empfunden etwas zu frueh verraet und sich auf Dauer trotz wohlplatzierter Streicherelemente doch abnutzt.
Da ist es gut, dass gleich danach ein Instrumentalklassiker folgt, den viele Fernsehserienfreunde noch aus alten Zeiten kennen duerften: Das neu-eingespielte Thema der kultigen Truckerserie "Auf Achse" ("Franz Meersdonk – Guenter Willers – und ihre Maschinen…"). Es stammt ebenfalls aus Paul Vincent’s Feder und diese XXL-Version kommt deutlichst rockiger und laenger, aber auch etwas langsamer daher als das Original. Exzellent gespielt, absolut session-tauglich und mit hohem Retro-Charakter.
Interessant ist, dass in den ersten Folgen der Serie immer Elton John als Titelmelodielieferant angegeben wurde, was erst spaeter in "Paul Vincent Gunia", so sein vollstaendiger Name, korrigiert wurde….
Erst an fuenfter Stelle folgt der Titelsong des Albums. Ebenfalls im Blues-Rock-Gewand, bietet er einen inhaltlich nicht unbedingt abgeschlossenen Text, der Raum fuer Interpretationen offeriert. Der sich anschliessende "Hausmann-Blues" hinterlaesst ihn einmal mehr mit eben diesem, natuerlich wegen ihr. Etwas schneller kommt "Schreck o Schreck" daher. Auch hier erwartet den Erzaehlenden wieder ein Rueckschlag, diesmal finanzieller Art.
"Manta Sally" – Der Name dieses sich anschliessenden Instrumentalstuecks mit dominierender E-Gitarre duerfte wohl vom spaetestens seit Wilson Pickett oder den "Commitments" bekannten "Mustang Sally" abgeleitet sein und eine Art musikalische Verschnaufpause darstellen, denn danach geht’s wieder zur Sache:
"Die Welt ist doch ein Irrenhaus und taeglich bricht der Wahnsinn aus" heisst es unter anderem bei "Nein, ich reg' mich nicht mehr auf", dem neunten Lied auf der CD. Auch hier instrumentiert er den Blues fuer seine Gemuetsverfassung. Kontraer-eingeflochtene Melodiemotive unterstreichen den Groll, den der Autor zu hegen scheint. Das reimt sich nicht immer, aber es dichtet :-)
Wer die Platte nur nebenbei hoert, koennte "Der Teufelspakt" und den zuvor abgelaufenen Song durchaus als Einheit verstehen, zu fliessend ist der Uebergang. Textlich interpretiert der Schreiber dieser Zeilen das Lied als eine Abrechnung mit den illusorischen Versprechungen rund ums Musikbusiness.
Rock’n’Roll, der macht dich reich – unsterblich und den Goettern gleich.
Sei Legende, sei ein Star, Dein Wunsch, der macht das Wunder wahr.
Ich gebe dir, was du begehrst, wenn du auf mein Kommando hoerst"
Noch Fragen?
Was folgt, ist vertonter Wehmut in Nicht-Moll inklusive Mitklatschfaktor:"Die Blumenkinder sind in Rente". Da passt die spiritistisch-akustisch angehauchte Instrumentalballade "Jenseits des Ganges" durchaus gut ins abschliessende Bild, denn diese haetten die im vorangegangenen Song beschriebenen Hippies nach dem Genuss der dort zitierten Pillen, die alles so schoen bunt machten, auch so hoeren koennen…
Es ist ein netter, letztendlich harmonisierender Abschluss des Albums.
Ein ultimativer Meilenstein des Deutschrocks ist "Herzlichen Glueckwunsch" nicht unbedingt, doch es besticht durch grosszuegige Instrumentierung (unter anderem wirkten die Muenchener Symphoniker mit), nachvollziehbare Texte und grundsolider Spielfreude, die vor allem den Freunden des Blues-Rocks entgegenkommen duerfte. Auch Live aufgefuehrt duerfte das bestens funktionieren…