Die heisse Flohmarkt-Schlacht
Der Wecker klingelt an einem Sonntagmorgen um fuenf Uhr. Nein, das macht keinen Spass. Es ist schon taghell. Eine Stunde spaeter bewegt sich ein vollgepackter VW-Bulli von Guetersloh ins benachbarte Rietberg zum dortigen "Elli-Center". Flohmaerkte auf Supermarktplaetzen sind normalerweise eine Welt fuer sich, aber dieser stach in der Vergangenheit insofern positiv hervor, als dass auch viele Privatverkaeufer dort vorzufinden waren und ein Woerterbuch nicht unbedingt vonnoeten war…
Um kurz nach 6 stehen sie bereits in langen Autoreihen am Anfang des grosszuegigen Gelaendes und warten auf die Genehmigung der zahlreichen Ordner zur Einfahrt auf die letztendlichen Standplaetze. Eine gehoerige Portion Logistik ist hier gefragt, keiner darf einfach so losfahren, jeder wird genau auf seinen Platz eingewiesen. "Ein Bulli, ein PKW und ein Anhaenger? Nein, das ist zuviel, das geht nicht." Schon sehen wir unsere Hoffnung auf einen nachbarlichen Kombistand schwinden. Die Funkamateure des OV-N47 waren mit einem vollgepackten Haenger angetreten, der neben meinem Leihbulli platziert werden sollte. Oder umgekehrt. Doch der Ordner kapiert zunaechst nicht, dass der PKW nach Abkopplung des Haengers wieder weggefahren werden sollte…
Letztendlich klappt aber alles und wir bekommen unseren "Wunsch-Standplatz". In den ersten beiden Stunden ist das weitere Ausladen und Aufbauen nicht erlaubt, damit die Anwohner ihre wohlverdiente Ruhe noch etwas laenger geniessen koennen. Doch die ersten "Profis" fangen mehr oder weniger sofort an, da sie eigentlich nicht viel vorbereiten muessen. Unscheinbare Autoanhaenger mutieren durch wenige Handgriffe zu fertigen Verkaufsstaenden. Die ersten "Sehleute" (das Gegenteil von "Kaufleute") begeben sich auf die Pirsch und schauen in die geparkten Autos auf der Suche nach ersten Schnaeppchen. Insider behaupten, dass die lukrativsten und wichtigsten Geschaefte bereits vor der eigentlichen Eroeffnung eines Flohmarkts getaetigt werden und tatsaechlich kaufen einige Haendler anderen Wartenden etwas ab, putzen es an ihrem eigenen Stand (oder am nahegelegenden Fluesschen) sauber und stellen es unter Aufpreis an ihren eigenen Stand zum Wiederverkauf. Unglaublich…
Ab ungefaehr 9 Uhr ist dann alles fertig aufgebaut und die ersten Fruehaufsteher flanieren durch die vollgepackten Verkaufsgassen. "Was kost?" fragt mich ein vermutlich tuerkischer Mitbuerger. "Zwei Euro". Er kauft. "Und was kost diese?" – "Auch zwei Euro". Er kauft wieder. Danach sieht er ein originalverpacktes Mikrofon. "Was kost Mikrofon?" "Drei Euro Fuenfzig" – "Kann ich zuruecktauschen gegen diese?" Und er zeigt auf einen der kurz zuvor gekauften Zwei-Euro-Artikel. Mann kann’s ja mal versuchen….
Die Baeume hinter uns spenden viel Schatten. "Haste gut gemacht, Hubert", toent es vom funkigen Nachbarstand, an dem Norbert irgendwelche Elektro-Ueberbleibsel vom Antennensteuergeraet bis zum Ghettoblaster, aber auch schoene Bierkruege, Videocassetten und Romanheftchen an die Leute verkungelt, wobei selten die "magischen ein Euro" fuer ein Teil ueberschritten werden. Die Masse macht’s. Ein Junge schaut mit glaenzenden Augen auf ein wirklich schoenes, grosses Ferrari-Modellauto in Bestzustand. "Na? Der ist schoen, oder?" fragt Nobbi. Die Mutter des Jungen bemerkt dessen Faszination. "Fangen wir mal bei zehn Euro an". Letztendlich bekommt der Junge fuer sieben Euro fuenfzig den wahrscheinlich ersten Ferrari seines Lebens. "Taschengeld ist jetzt aber erstmal gestrichen", hoeren wir die Mutter noch sagen…
Manche Leute verweilen gefuehlte Stunden vor dem eigenen Stand, um einen Ein-Euro-Gegenstand von allen Seiten zu betrachten, wobei sie offensichtlich mit sich selbst hadern – um das Teil letztendlich wieder wegzulegen. Das sind die Momente, die einen Verkaeufer ratlos stimmen.
"Was kost?" Hoere ich wieder von der rechten Seite. Ein wiederum auslaendischer Mitbuerger schaut mich fragend an. "Zehn Euro muss es noch bringen." – "Geben zwei". Das Geschaeft kommt nicht zustande. Warum wohl? :)
Die Sonne steht mittlerweile im Zenith. Es wird der bisher heisseste Tag des Jahres. Natuerlich. Ausgerechnet heute. Heisses Wetter bedeutet weniger Besucher. Und tatsaechlich war der Flohmarkt, den unsereins schon oft als normaler "Kunde" besucht hat, trotz der vielen Verkaufsstaende am heutigen Tag frueher oftmals sehr viel voller. Die Laufkundschaft verteilt sich daher recht uebersichtlich auf dem grossen Platz.
An unserem Verkaufsstand werden so manche Waren umgeschichtet, damit sie nicht durchgehend der heissen Sonne ausgesetzt sind. Thermoskannen mit Kaffee machen die Runde, einer rennt los und holt die obligatorische "Manta-Platte" vom nahegelegenen Bratwurststand. Man sitzt in oder vor den Autos um zumindest ein wenig Schatten zu haben…
Obwohl der Flohmarkt bis 17 Uhr angesetzt ist, bauen die ersten Haendler ihre Sachen schon ab ca. 14:30 Uhr wieder ab. "Da kommt jetzt eh nicht mehr viel" heisst es. Tatsaechlich herrscht eine gewisse Ruhe auf dem Platz. Ein Haendler entsorgt sein nicht verkauftes Porzellan indem er es zertruemmert. Auch eine Art, Platz zu schaffen…
Nach Stunden in sengender Hitze, einem ordentlichen Sonnenbrand im oberen Halsbereich und im Gesicht (trotz Kappe!), geht es dann an diesem Sonntagnachmittag wieder gen Heimat.
Auto ausraeumen, Dusche, ein kaltes Getraenk, ein Filmchen auf dem Sofa, Bett. Das war’s.
Licht aus 21:30 Uhr. Das hat’s hier ewig nicht gegeben :-)
Trotz der diesmal etwas wiederen Umstaende ist der finanzielle Erloes durchaus akzeptabel. Von der Sache her. Aber wenn man kalkulatorisch vorgeht und saemtlichen Arbeits- und Transportaufwand sowie die letztendlich fuer diese Aktion aufgewendeten Stunden aufrechnet, kann nur ein Fazit gezogen werden: Es hat zwar unterm Strich doch Spass gemacht, aber gelohnt hat es sich nicht unbedingt.
Vor etlichen Jahren haben wir das schonmal und damals auch zum ersten Mal gemacht. Bei fast doppeltem Umsatz. Die Zeiten aendern sich. Wahrscheinlich wird es wieder einige Jahre bis zum naechsten Mal dauern. Eine Wiederholung in dieser aufwendigen Form schliesse ich zunaechst erstmal aus. Eine Teilnahme an einem "normalen" Event bei weitaus weniger Zeit- und Materialaufwand hingegen nicht. Dafuer kaeme aber nur ein reiner Privatflohmarkt wie z.B. der an der "Weberei" in Frage…