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Die Kirche im Dorf lassen…

29. Oktober 2007

…das ist anscheinend gar nicht so einfach. Das saechsische Oertchen Heuersdorf soll demnaechst dem Braunkohlebergbau komplett weichen. Mit all seinen Haeusern (die teilweise recht alt sind) und seiner ganzen Kultur. Zumindest die 750 Jahre alte Kirche soll gerettet werden und somit wird sie komplett (!) versetzt.

Bauingenieur Frank Preußler steht in der Kirche jetzt ungefähr da, wo der Pfarrer sonntags den Segen spendete, und sagt: „Wenn Sie so wollen, wird ein übergroßer Fußabtreter unter die Kirche eingezogen.“ Dieser Boden sei so stabil, dass der steinerne Altartisch beim Transport ebenso in der Kirche bleiben könne wie die Aufbauten des darüber stehenden Kanzelaltars, nur die bemalten Verblendungen sind entfernt. Die hölzerne Säule, die die Holzdecke stützt, wird genauso auf große Fahrt gehen wie die Emporen, selbst die zwei Glocken bleiben im Turm. Nur die Orgel wurde ausgebaut.

800 Tonnen gehen nun auf die Reise ins endgueltige Ausweichquartier, der vom bisherigen Standort ca. 12km entfernten Ortschaft Borna. Eine in technischer Hinsicht sicherlich faszinierende Herausforderung, die mit Sicherheit Unsummen verschlingen wird. Nur schade und aeusserst bedenklich, dass ganze Dorfgemeinschaften bzw. -Kulturen solchen Vorgaengen zum Opfer fallen…

Die Heuersdorfer aeussern sich auf ihrer Webseite folgendermassen:
Heuersdorf überstand Epidemien, Kriege, Plünderungen, Brände und zwei Diktaturen. Schliesslich wurden die Heuersdorfer dazu genötigt, mit allen rechtsstaatlich verfügbaren Mitteln ihren Heimatort zu verteidigen. Der Grund ist bekannt: Das Dorf steht auf Braunkohle. Dieser Bodenschatz stellte für die arbeitende Bevölkerung des 20. Jahrhunderts einen befristeten Segen dar. Doch wo heute die Braunkohle liegt, wird die Region in Geiselhaft genommen. Im Leipziger Südraum liegt die Arbeitslosigkeit weit über dem Landesdurchschnitt. Der Wegzug junger Menschen hält unvermindert an. Der Angebotspreis von Immobilien liegt weit unter dem Wert vergleichbarer Objekte in anderen Regionen, was auch Investitionen in Erneuerung und Ausbau zu einer risikobehafteten Unternehmung macht. Für die Natur- und Kulturlandschaft ist der Bergbau zum ewigen Fluch geworden.

Man stelle sich mal vor, dass das Heimat- oder Nachbardorf, mit dem man ggf. unendlich viele, positive Erinnerungen verbindet, aus so einem Grund auf einmal dem Erdboden gleichgemacht wuerde. Unfassbar. An mir zumindest wuerden dementsprechende Argumentationsversuche, und seien sie aus (energie- und/oder arbeitsplatz-)technischen, finanziellen oder sonstigen Gruenden noch so nachvollziehbar, generell abprallen. Da wuerde die Subjektivitaet mit Abstand siegen, und das mit Inbrunst…

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Welt Online
Heuersdorf Online
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Wikipedia

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