Revolverhelden bei der EM
Ueber Fussballsongs wurde hier unlaengst schon einmal etwas geschrieben, naemlich hier. Mittlerweile kristallisieren sich die kommenden EM-Hymnen deutlichst heraus und es sind sogar Kandidaten dabei, die von vornherein irgendwie nicht auf der Karte waren, wie zum Beispiel die Band "Revolverheld".
Blicken wir zurueck. Fussball-WM 2006. Der Soundtrack zum damaligen "Sommermaerchen" hatte sich im Grunde genommen noch relativ zufaellig ergeben, denn Herbert Groenemeyer`s "Zeit, dass sich was dreht" war beispielsweise NICHT der erhoffte Mega-Hit der WM geworden. Eher schallten Olli Pocher und die Sportfreunde Stiller in den Stadien und auf den Fanmeilen. Pocher`s Rezept war klar: Eine Mitgroehlhymne musste es sein und die Rechnung ging auf. Groenemeyer`s Song war zu komplex fuer das bierselige Feierpublikum und an dieser Stelle wuchs auf fast schon natuerliche Weise eine authentische, alles ueberstrahlende Hymne heran:
Der Song der Sportfreunde Stiller.
Ein wirklich lesenswerter Abriss ueber den vergangenen und derzeitigen Werdegang findet sich in der "Zeit" wieder. Da heisst es: "Schon bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wiegten sich die Fans im Takt der Pophymnen. Aber damals zeigte sich auch, wie unberechenbar der musikalische Erfolg während solcher Massenveranstaltungen ist. (…) Grönemeyer schrammte am Hit vorbei, die Sportfreunde Stiller hingegen machten alles richtig. Das Münchner Trio verband in "54, 74, 90, 2006" einen humorvollen Text mit einem stadiontauglichen Refrain und einem entspannten Musikvideo. Ihr ironischer Umgang mit dem Mythos WM machte das Stück selbst Fußball-Muffeln akzeptabel. Entscheidend für den Erfolg des Songs war aber die Glaubwürdigkeit der Interpreten. Die Sportfreunde Stiller gelten als Fußballfanatiker, ihre Meinung zum sportlichen Geschehen wird geschätzt. (…) Während der WM-Hit der Sportfreunde auf Grillpartys und in Szenebars lief, bediente Oliver Pochers "Schwarz und Weiß" die Großraumdiscos und Fan-Meilen. (…) "Der Weg" von Xavier Naidoo war ein anderer. Der Erfolg kam von innen, aus der Mannschaftskabine. Der deutsche Nationalspieler Gerald Asamoah hatte das Lied solange über die Stereoanlage abspielen lassen, bis selbst Masseure und Zeugwarte den Text verinnerlicht hatten. Jürgen Klinsmann betete Durchhalteparolen herunter und Naidoo sang seine pathetische Soul-Ballade dazu. Ein Lied, das auf jeden Kirchentag gepasst hätte, wurde in der schicksalhaften Alles-oder-nichts-Situation zum Bekenntnisschwur zwischen Publikum und Mannschaft. Diese Musik hatte das Team erwählt. Oder war es umgekehrt?
Der Sommerhit der WM 2006 stammte von dem französischen House-Produzenten Bob Sinclair. Wie kein anderes Lied fing der mediterrane Ohrwurm "Love Generation" die ausgelassene Partystimmung ein. Der Song wurde nach jedem Tor eingespielt. Insgesamt dröhnte "Love Generation" 147 Mal aus den Stadionlautsprechern. Weghören unmöglich. Auch so werden Hits gemacht.(…)"
Nun, das ist Geschichte. Anlaesslich der kommenden EM wirkt jetzt alles etwas verkrampft, so nach dem Motto "Wring` den Hit". Und es scheint auch, als ob da niemand wirklich etwas anbrennen lassen will. Nochmal die "Zeit": "In diesem Jahr wollte der DFB nichts dem Zufall überlassen. Ein EM-Hit ohne den Segen des Verbands? Das durfte nicht schon wieder passieren. So kamen Revolverheld ins Spiel. (…)" Der Song "Helden 08" wirkt kuenstlich, ein "Na-Na-Na-Na-Na" nimmt man der Band irgendwie (noch) nicht so richtig ab. Auch beim Betrachten des zugehoerigen Videos hat man noch immer die Sportfreunde zumindest im Hinterkopf praesent und kommt dann schnell zu dem weiter oben schon erwaehnten Schluss, dass diese irgendwie authentischer waren. "Leider klingt "Helden 08″ wie ein fades Stimmungslied zum Kickerturnier eines Dorfvereins. Pflichtgemäß werden die üblichen Reizwörter »Geschichte«, »Helden« und »Wunder« aufgesagt. Dazu schrammelt es recht bieder, von Ironie keine Spur. (…) Was sich bei den Sportfreunden Stiller noch unverkrampft und spontan anhörte, ist hier ganz offensichtlich ein Marketingtrick."
Bingo! Aber, bevor jetzt hier der ganze "Zeit"-Text rezitiert wird (weil er wirklich so trefflich formuliert ist), kommt hier nun besser der Verweis dorthin, zum froehlichen Selberlesen: Link zum dreiteiligen "Zeit"-Artikel
Vielleicht werden diese musikalischen Broetchen derzeit auch ein wenig zu schnell gebacken, denn man darf eines nicht vergessen: Die Erfolgsqoute Deutschlands bei einer EM ist derzeit deutlichst schlechter als wie bei den Weltmeisterschaften, denn seit mittlerweile zwoelf Jahren hat die deutsche Nationalelf kein einziges Spiel mehr innerhalb einer Europameisterschaft gewonnen. Sollte diese Serie anhalten, dann waere es in fussballmusikalischer Hinsicht sicherlich ganz schnell vorbei mit Olli Pocher und den Revolverhelden…