Schneckenpost aus China
"Das ist eine Frechheit! Mein Mann ist seit sieben Jahren tot…" Diese Worte stammen von einer aelteren Witwe aus Guetersloh, die es nicht fassen konnte, dass ihr bereits verstorbener Mann kuerzlich Post bekam. Des Raetsels Loesung ist aber voellig undramatisch und die gute Frau haette es wahrscheinlich nicht so kommentiert, wenn sie die Hintergruende gekannt haette…
Ihr Mann war unter anderem begeisterter Kurzwellenhoerer ("SWL" = ShortWaveListener), der sich mit seinen "Grundig Satellit"-Empfaengern gerne auf den Frequenzen tummelte. Zudem konnte er morsen und eines Tages kam er mit einem handgeschriebenen Zettel zu mir. Darauf war eine einwandfreie Mitschrift eines Morsepruches zu lesen, nur konnte der SWL die Abkuerzungen nicht ausdeuten, weshalb er mich um eine Uebersetzung bat.
Solche Mitschriften und/oder Protokolle senden viele "Lauscher" dann an die entsprechenden (Radio-) Stationen in der Hoffnung, von diesen daraufhin eine schoene Empfangsbestaetigungskarte zu erhalten. Auch im Amateurfunkbereich sind "QSL-Karten" beliebt. Vor allen Dingen dann, wenn ein ungewoehnliches, in irgendeiner Art und Weise besonderes Funkgespraech stattgefunden hat, schickt man sich gerne gegenseitig diese oftmals phantasievoll gestalteten Motivkarten, die unter anderem auch die technischen Daten der jeweiligen Station enthalten. Dieser Vorgang erfolgt entweder auf dem direkten Postweg (dann meistens unter Beilegung von US-Dollar-Noten, um die Portokosten auszugleichen) oder auf dem "traditionellen" Weg, der wiederum ungefaehr so funktioniert:
Ein Funkamateur speichert die Daten, verarbeitet sie aber nicht immer sofort weiter. Bis zum Ausfuellen der Karten vergeht unter Umstaenden schon einige Zeit. Spaeter gibt er diese Karten meistens beim monatlichen Vereinstreffen an den sogenannten "QSL-Manager" weiter. Der sortiert sie und leitet sie gebuendelt an die deutsche Zentralstelle des DARC in Baunatal bei Kassel. Von dort aus gehen sie weiter in alle Welt. Am Zielort angekommen, koennen die Karten aber nicht sofort an die jeweiligen Adressaten weitergeleitet werden. Das passiert daher auch erst dann, wenn diese sich beispielsweise auf dem dortigen Vereinstreffen blicken lassen. Somit koennen von der eigentlichen Aussendung ausgehend schonmal Jahre (!) vergehen, bis dass die zugehoerigen QSL-Karten ihre Ziele erreichen…
Nach Verdeutlichung dieses Sachverhaltes war die Witwe schnell besaenftigt, denn sie kann sich nun sozusagen ueber ein posthumes "Lebenszeichen" ihres Mannes freuen.
Die betreffende QSL-Karte kam von "Radio China International" anlaesslich des fuenfzigjaehrigen Bestehens der deutschen Redaktion des Senders.
Es soll an dieser Stelle nicht verheimlicht werden, dass es mittlerweile sogenannte "E-QSL-Karten" gibt, die online abgerufen werden koennen und die oftmals schon wenige Minuten nach Beendigung der entsprechenden Funkverbindung beidseitig verfuegbar sind. Doch das ist nach Meinung vieler Funkamateure "irgendwie nicht dasselbe". Daher heisst es bei vielen nach wie vor : "QSL via bureau", was den oben beschriebenen, traditionellen Weg beschreibt…