Stichtag
Als das Podcasting so Ende 2004/Anfang 2005 auch in Deutschland erstmalig etwas bekannter wurde, da wollten die etablierten Medien noch nicht viel davon wissen. Erst im Fruehsommer 2005 stuerzten sie sich auf die bis dahin ueberschaubare Zahl meistens privater Podcaster und schrieben Berichte ueber sie oder produzierten Radiobeitraege ueber den neuen "Trend".
Danach schien es irgendwann, als ob alle sich wieder mehr oder weniger zurueckgezogen haetten und "Kriegsrat" halten wuerden. Es wurde recht still. In dieser Zeit hatten aber viele Podcaster die Ambition, das Ganze noch bekannter zu machen und ich wandte mich zum Beispiel an den WDR mit der Idee, dass dieser doch so einzelne Radio-Kolumnen und -Sendungen wie z.B. "Quintessenz", den "Stichtag" oder die "Fruehstueckspause" aus dem WDR2-Programm auch prima als Podcast veroeffentlichen koennte. Die Antwort war freundlich, aber bestimmt: "Vielen Dank fuer Ihre Anregungen, wir freuen uns immer (…), sehen aber in dem Medium "Podcasting" derzeit keine Verbreitungsmoeglichkeit fuer unsere Inhalte".
Tja, der Rest ist Geschichte. Irgendwann kam "die Flut", naemlich die Flut an oeffentlich-rechtlichen Podcasts und natuerlich schlief auch die private Rundfunk-Konkurrenz nicht (z.B. FFN oder RTL). Das Resultat: Viele grottenschlechte und ueberfluessige Sendungen (meistens aus dem Comedybereich), aber auch einiges, was sich wirklich lohnt und hoerenswert ist.
Schade nur, dass diese Dinge grundsaetzlich zulasten derjenigen passiert sind, die das Podcasting von vornherein vorangebracht, etabliert und weiterentwickelt haben. Attribute, die man den "grossen" Medien zumindest damals nicht zuschreiben konnte, von wenigen positiven Ausnahmen (wie z.B. SWR 2) mal abgesehen. Heutzutage dominieren die oeffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkangebote zumindest in punkto Quantitaet auch die Podcastszene und es ist daher umso erfreulicher, dass es einigen urspruenglichen, wirklich-privaten Leuten mit ihren Audio- und Videobeitraegen gelingt, nach wie vor dabei zu sein und den grossen Anbietern gewissermassen die Stirn zu bieten. Ob gewollt oder ungewollt, sei dahingestellt….
Ein oeffentlich-rechtliches Angebot soll an dieser Stelle mal deutlichst hervorgehoben werden: Der "Stichtag" im WDR 2. Der laeuft allmorgendlich im normalen Radio (abends noch einmal in der Wiederholung) und bezieht sich immer auf Daten und Ereignisse, die sich im historischen Kontext auf den jeweiligen Wochentag beziehen. Dabei kann der Inhalt kulturell anspruchsvoll gestaltet sein, oftmals geht es aber auch um trivialere Themen. Der Geburtstag eines Staatsoberhauptes, eine historische Tat, eine Proklamation, eine Plattenveroeffentlichung, eine Erfindung, eine politische Uebereinkunft… einfach alles kann vorkommen. Und in den allermeisten Faellen ist es lehrreich, kurzweilig aufbereitet und sehr gut recherchiert. Lohnt sich.
Mehr unter http://wdr2.de. Den Podcast gibt es hier (klick).