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Urheberrecht und Unterricht

17. September 2008

Frueher, da… :-)

…so fangen ja viele Ueberlegungen zu aktuellen Dingen an. So auch hier. Also, frueher, zum Beispiel im Englischunterricht, da gab es Pflicht-Themen, wie Shakespeare`s "Macbeth" (Horrible. I always hated it. When shall we three meet again…) oder -was schon interessanter war- "Death Of A Salesman" ("Tod eines Handlungsreisenden"). Als Belohnung winkte dann am Ende der Lektuere die Vorfuehrung des gleichnamigen Spielfilms.

Nach den "Freuden der Pflicht" kam die Kuer, zum Beispiel der "Logical Song" von "Supertramp" in einer Textanalyse. Kopien des Songtextes wurden schnell durch den Lehrer erstellt und an die Schueler verteilt. In diesen prä-Google-Zeiten setzten sich die Lehrer zu solchen Anlaessen noch vor ihren Plattenspieler und schrieben die gesungenen Worte haendisch mit. Im Franzoesischunterricht beschlagnahmte der Lehrer das Sprachlabor und liess selbstaufgenommene Tonbandspulen (!) mit franzoesischen Schlagern und Chansons laufen, deren Texte dann ebenfalls in die Sprachbildung integriert wurden. "On a tous les mêmes souvenirs…"
Als dann eine Schuelerin fuer die letzte Stunde vor den Sommerferien die Durchnahme des damaligen, franzoesischen Sommerhits "Voyage Voyage" von "Desireless" vorschlug, wurde nicht lange gefackelt. Einer brachte die Platte mit …wer wohl?… :), die Schuelerin bekam als Bedingung den Auftrag, den Text fuer den Lehrer aufzuschreiben, dieser korrigierte etwaige Fehler und kopierte das Werk auf Schulkosten. Mit 30 Zetteln und einem tragbaren Dual P50 bewaffnet kam der Lehrer am letzten Schultag in die Klasse und alle freuten sich, dass mal etwas aus der Musikwelt der Schueler im Unterricht beruecksichtigt wurde. Der Lehrer meinte letztendlich allerdings, dass der Text dieses Songs absolut unterdurchschnittlich sei :-)

Aus heutiger Sicht waere der erste Fall eine (unerlaubte?) Vervielfaeltigung (Songtext-Kopien) und das zweite eine (unerlaubte?) "oeffentliche" Auffuehrung. Damals war das aber ueberhaupt kein Problem, nein, es wurde zumindest toleriert und meistenteils sogar ausdruecklich erwuenscht. Natuerlich gab es auch damals schon allgemeingueltige Verguetungskriterien fuer solche Faelle, aber heutzutage sieht das Phaenomen "Urheberrecht in Schulen 2.0" dann so aus, dass die jeweiligen Lehrkraefte im Grunde genommen jederzeit mit einem Bein im Knast stehen koennten:

Der Paragraph 52 a im Urheberrechtsgesetz erhitzt einmal mehr die Gemüter. Laut der bis Ende des Jahres befristeten Klausel dürfen Lehrer und Wissenschaftler "kleine Teile" von Werken ausschließlich einem "bestimmt abgegrenzten Bereich von Unterrichtsteilnehmern" in einem Intranet "öffentlich zugänglich" machen. Sie gilt auch für Personen im Rahmen ihrer "eigenen wissenschaftlichen Forschung". (…) Denn aufgrund praktischer Notwendigkeiten würde so gut wie jeder Forscher und Lehrende weiter solche Materialien anderen Kollegen oder Auszubildenden bereitstellen. Auf diese zu verzichten, könne erst recht kein wissenschafts- oder bildungspolitisches Ziel sein. Verbesserungsfähig sei aber die Vergütung für die genehmigungsfreie Nutzung geschützten Materials für die Rechteinhaber.
Quelle: Heise Online

Auch wenn man dieses Beispiel vielleicht nicht 1:1 auf Songtexte und Musik uebertragen kann, ist die daraus zu erkennende Tendenz doch bedenklich. Natuerlich darf und soll man unter dem Deckmantel des Bildungsauftrags nicht einen unter Umstaenden sogar persoenlichen Freifahrtschein fuer solche Dinge im grossen Stil erwerben koennen duerfen, aber generell bedarf dieser Zustand wohl doch einer gehoerigen Lockerung.
Frei nach Westernhagen: "Ich bin froh, dass ich kein Lehrer bin…"

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